Laith Al-Deen „KEIN TAG UMSONST“19693/1/
KANN ES NICHT SEIN, DASS WIR UNS ZWISCHEN DEN ZEILEN BEGEGNEN
Es bleibt ein energetischer Augenblick, als KEIN TAG UMSONST anklingt. Schon nach wenigen Zeilen wird einem klar, dass hier jemand etwas zu erzählen hat. Eine Mischung aus Güte und Fragezeichen, tiefsinnigen Sequenzen und lebendigen Momenten, eine, die Aufmerksamkeit fordert.
Der Track GLAUB AN DICH wurde von Johannes Falk geschrieben, als einer von 2 Songs, von denen es dieser aufs Album schaffte, der andere gehört nun Maffay, und doch gelingt diesem leichtherzigen Stück der Spagat zwischen einer zarten Kritik an profaner Selbstoptimierung und der Lust auf Leben. Es ist das Bedürfnis nach Glauben, nach Absicherung und Vertrautheit, nach dem Blick zurück auf einen Grund, eine Herkunft, mit der sich die poetische Wucht in eine Beziehung setzen kann, an dessen Nerv uns Laith Al-Deen trifft. Glaube – ein starkes Wort.
Hier ist indes eine Entdeckung zu machen. Die Entdeckung einer dramatischen, geistvollen und vitalen Handschrift. SO NAH gelingt verblüffende Erkenntnis von erstaunlicher Präzision bei zugänglicher Textstruktur, was wir schon haben das verlernen wir zu sehen, wie toxisch der Vergleich mit Anderen anmutet, wie die Gedanken darüber, was du hast und was du nicht hast, dich dazu verleiten, dich mit der Vorstellung von dem, was du sein solltest, zu vergiften. In einer Welt, in der man kaum aushält, dass es einem auch einmal blendend gehen darf. Das darf man ruhig aushalten.
Es ist nicht zu überhören, die so übermütig aufgeworfenen Metaphern ich mal mir ständig Bilder doch fühl mich rahmenlos sind mehr als nur schön , man sagt ich bin ein Träumer, das kann durchaus auch tief berühren, bewegend jedenfalls gerät die Elektrizität in DU BIST ES WERT erfrischend und plot-driven, flatterte der Text dereinst auf den Tisch, – ein Song, um ihn an der roten Ampel zu hören, während dich die Sonne durchs Frontglas küsst. Da sucht jemand seine Traumfrau, da vertraut jemand auf sein Innerstes, hört auf sein Herz.
Laith Al-Deen hat die seltene Begabung, zauberhafte Zeilen anstimmen zu können, ohne dabei die Blickrichtung zu verlieren. Es geht immer vorwärts, da bewegen Stimme&Klang, da berühren Worte&Sinn, man ist eingeladen, sich aus allem, was man gemütlich eingerichtet hat, zu erheben. Glauben heißt hier, eine Meinung haben.
Doch ein ums andere Mal geht es ums Ganze. Wo ein Suchender fast ein halbes Leben lang immer wieder von vorne beginnt, will Laith Al-Deen nichts weiter, als entrücken. Poesie will poetisch sein, Al-Deen will zunächst einmal gar nichts, das tut so gut.
KEIN TAG UMSONST, geschrieben mit einem Freund, beherrscht den Bass der Sinnlichkeit genauso gut wie die schrille Sirene eines kritischen Bewusstseins. Auf und ab, für und wieder, die Freiheit, trotz Gewohnheit, stets herauszustellen, ein Eintauchen in die Momente, da nichts umsonst gewesen war, das macht den Song authentisch.
Als Echo aus dem Jahr 2015 wirkt LIEBE IST EIN GESCHENK so, dass man mit drei Ohren zuhören mag; man sitzt im Studio, man plaudert, so lange, bis man sich in der Liebe verliert. Was für die meisten Menschen das Wichtigste ist, sich in Vergleichen zu wähnen, löst sich im Bekenntnis zum Gegenwärtigen auf. Pop, der wohlig klingt und Soul, der verbindet.
Die Stimme ist nie die eines moralinsauer gewordenen Konzeptmusikers, vielmehr pflegt KEIN TAG UMSONST eine zarte Zuneigung zur Welt. Mit Sinn sowohl für die große Show als auch für die Miseren eines halben Lebens.
Das Ich in C’EST LA VIE meint uns alle, fordert uns auf: Was will man einem Youngster mit auf den Weg geben? Ich geh meinen Weg. Ein Akt der Beständigkeit. Jemand, der nichts wagt kann nichts gewinnen.
C’EST LA VIE variiert die Klaviatur der Empfindungen: mal mit herzzerreißender, feinsinniger oder melancholischer Hingabe an das betörend Schöne, ein Neuanfang mit Kante und Tiefe, mal höchst lakonisch ob ich vom Mars komm und irgendwann im Arsch bin oder angry gegenüber den Sehnsüchten nach Sicherheiten lieber Ups and Downs als ne sichere Bank.
Ein besonderer Reiz der Songs liegt in ihren thematischen Überlappungen, immerhin verdichten sich hier über 20 Jahre Berufserfahrung, Texter, Dichter und Metalsehnsüchte – ein halbes Musikerleben – zu einem pulsierenden Kraftakt ohne erhobene Faust, dafür einleuchtend vorwärtsgerichtet, von vertrauter Verrücktheit und raffiniert mit Charme überstäubt.
Beharrlichkeit bedingt Abenteuer und vice versa: und wenn du durchs Feuer gehst bist du geläutert oder abgebrannt, heißt es in GLAUB AN DICH, wie Phoenix aus der Asche.
Unser Tipp: Hurra, Laith is back! Seit seinem Premiere Titel „Bilder von Dir“ im Jahr 2000 (im Original „Everlasting pictures from you“ von B-Zet and Darlesia) gehört der 1972 in Karlsruhe geborene Halbiraker mit seiner charismatischen Stimme zu sicherlich einer der besten Deutschsprachigen Stimmen unseres Landes. Seit seinem letzten Album sind immerhin schon 4 Jahre vergangen. Und nun „Kein Tag umsonst“. Seine Texte haben immer noch Gewicht, seine soulige Stimme ist in meinen Ohren noch etwas dunkler geworden. Wir finden tolle, fast düstere Balladen, aber auch gut eingesetzte Elektronikeffekte und Rap-artige Songs. Die Arbeit an dem Album dauerte fast 18 Monate, lange Zeit, aber das Ergebnis kann sich wirklich hören lassen. Hier hört man einen Profi mit 20 Jahren Musikerfahrung. Daumen hoch!
„Kein Tag umsonst“ erschien am 22.5. bei ear MUSIC.
Text: Dr. Wolf Gust | Bilder: Chris Gonz